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Village Girls

In den Achtziger Jahren habe ich zweimal New York City besucht. Von 1983 bis 86 zählte ich mich zu der Gruppierung der Rockabillies, und einer meiner Lieblingsfilme war „American Graffiti“.

Ich fing an zu schreiben und zu malen, durchlief viele Schaffensperioden und ließ mich von unterschiedlichsten Themengebieten beeinflussen. Ich blickte durch das Nadelöhr eines Trinkers und sah den Sternenhimmel, ich lebte in den Filmen von Polanski und Kubrick und in den Bildern von Caravaggio und Gustave Moreau. Ich stempelte mir Sätze von Bukowski, Mailer, Rimbaud und Ellroy ins Gedächtnis und wollte letztlich doch alles hinter mir lassen, um meinen eigenen, nur für mich vorgesehenen Pfad mit selbstgehauenem Marmor zu pflastern.

Ich schrieb viele Kurzgeschichten und Romane, zeichnete und malte und dachte, auch wenn mich meine Reisen bis ins Alte Rom führten, immer bei Zeiten an diese Atmosphäre zurück, die ich in der Verklärung der Fünfziger Jahre in meinem Hinterkopf erhalten hatte.

Aus einem Impuls heraus, der mich über Umwege erfasste, begann ich die Geschichte um einen alten Privatdetektiv zu schreiben und siedelte sie im Jahr 1956 an. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich Feuer gefangen und verfasste im Anschluss zwei weitere Kurzromane, die ebenfalls in den Fünfziger Jahren spielen („Diamond Bird“, „Resident Rosie“, „Atomic Ernie“). Aber die Reise hatte gerade erst begonnen. Es war logisch, mit einem Roman fortzufahren, der nicht nur im Glimmer dieser Zeit spielt, sondern zu guter Letzt von einem Spektrum an Erfahrungen profitiert, die ich kaum gemacht hätte, wenn ich mich in all den Jahren nicht von dieser Romantik der Fünfziger Jahre entfernt hätte.

Kein Licht ohne Schatten. Die Welt ist zu jeder Zeit eine komplexe und kaum in einem Buch von ein paar hundert Seiten wider zu spiegeln. Doch man kann sich Charaktere ausdenken, die zugänglich sind, und dann wird die Zeit, in der sie leben, nur ein Rahmen, aber nicht das Bild selbst. Das Bild sind die Menschen, die mittendrin stehen. Sie können nicht aus dem Rahmen heraus, und deshalb müssen wir in das Bild hinein.

Dieser Roman spielt im Jahre 1959, in Greenwich Village, New York. Bob Dylan ist noch nicht auf der Bildfläche erschienen, doch die Beat-Poeten und Avantgardisten stellen schon längst eine schon beinah zum Klischee verkommene Institution in einem Viertel dar, in dem man bisweilen den Eindruck gewinnt, sich auf einer vollkommen losgelösten Insel zu befinden. Losgelöst von der Welt des Kommerzes, der Wallstreet-Haie, der Männer in grauen Flanellanzügen und der biederen Hausfrauen mit Betonfrisuren.

Holly, Joanna und Dorothy sind keine eingefleischten Bewohnerinnen des Village, vielmehr reiben sie sich sowohl an der lokalen Szene, wie auch an den Konventionen der äußeren Welt. Sie sitzen zwischen den Stühlen. Sie teilen sich nicht nur einen gemeinsamen Telefonanschluss, sondern auch eine gemeinsame Tragödie. Aber während jede von ihnen auf ihre Art den Schmerz zu verarbeiten versucht, lernen wir sie genauer kennen und könnten zu dem Schluss kommen, dass der Titel „Village Girls“ viel zu despektierlich ist für diese drei jungen Frauen. Doch der Begriff „Village“ steht nicht nur für das Viertel, sondern auch für das Innige ihrer Freundschaft. Und sie sind „Girls“, weil sie es wagen, sich weiter entwickeln zu wollen, und weil sie noch längst nicht in die stillen Fahrwasser geraten sind wie andere Frauen und Männer ihres Alters.

Joanna sagt an einer Stelle des Buches:

„Es wäre so schön, wenn man einfach nur aufblühen würde. Wie eine Blume. Einfach ganz automatisch, ohne diesen ganzen belastenden Müll, den man sich in den Weg stellt oder den andere dort hinwerfen. Das Leid kann man nicht ausschalten, aber man kann, wenn man erblüht ist, sofort etwas Produktives draus machen.“

Aber wenn es so einfach wäre, könnte man keine Bücher mehr über menschliche Kämpfe schreiben ...

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