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Telum Leseprobe

 

V

 

Vae victis

Auszug -


 

 

 

Urere - das Prickeln zwischen dem Mann und der Frau vom Vorabend war nicht verflogen. Sie schossen sich angriffslustige und lüsterne Blicke zu, aber nun, in der hellen Sonne des frischen Tages, auch zarte und liebevolle. Celeras Haut leuchtete wie der Marmor der Statuen, und Lucius entdeckte an ihrer linken Schläfe ein feines blaues Äderchen.

 

"Celera, ihr Allerschönste. Ich muss euch etwas fragen. Bei den vielen Männern, die bisher um euch geworben haben, müsst ihr doch einen ganzen Katalog an Strategien in eurer Erinnerung lagern. Sagt mir, welche Werbung war bis jetzt die extravaganteste?"

 

"Habt ihr Angst, euer schönes Winseln klingt nicht laut genug? Ihr wollt Konkurrenten ausstechen?"

 

"Habe ich das nicht schon? Ich frage nur aus Neugier."

 

"Sicher habt ihr im Sinne, euch über eine kleine Anekdote über einen törichten Gönner zu amüsieren, aber da muss ich euch enttäuschen. Die außergewöhnlichste Werbung, die mir zuteil wurde, ist leider keine lustige Geschichte. Im Gegenteil."

 

"Das macht mich umso neugieriger."

 

"Seid versichert, mit dieser Werbung möchtet ihr nicht gleichziehen. Ich war sechzehn und unverheiratet. Ein Junge in meinem Alter hat sich unsterblich in mich verliebt, wenn ich das so unbescheiden sagen darf."

 

"Bescheidenheit steht euch nicht, Quinta."

 

"Schelm. Jedenfalls war es mir nicht möglich, sein Werben in dem Maße zu erwidern, wie er es sich vorgestellt hatte. Es endete am Balken eines Pferdestalls."

 

"Der kleine Cunnio hat sich erhängt?"

 

"Könnt ihr euch meinen armen kleinen Bruder vorstellen, wie er ihn eines Morgens vor seinem Ausritt dort baumeln sieht? Der Hals ganz verbogen, das Gesicht in einer widerlichen Leichenfratze eingefroren und auf dem Boden das Wenige, das er noch im Körper hatte."

 

"Man sollte vor dem Freitod, zumindest wenn man sich zu erhängen beabsichtigt, auf jeden Fall die Latrine aufsuchen. Es ist unfair, den Hinterbliebenen eine solche Sauerei zu hinterlassen."

 

"Es gab ein unglaubliches Theater deswegen. Mein Vater hat mir die Schuld dafür gegeben. Er wusste, dass ich keine Jungfrau mehr war und Erfahrungen sammelte. Er nannte mich eine Incesta. Vollkommen lächerlich."

 

"Und er hatte damit natürlich unrecht ..."

 

"Mein kleiner Bruder und ich sind nur ein gutes Jahr auseinander. Und was soll man auf dem Land denn schon machen, wenn es in einem aufsteigt? Das heißt noch lange nicht, dass ich von ihm hätte schwanger werden können. Wir haben auf uns aufgepasst."

 

"Und ihr habt noch einen älteren Bruder?"

 

"Dieser hat sich schon früh verheiratet. Wir sind nur befreundet."

 

"Ihr ward bis heute noch nie schwanger?"

 

"Nein. Auch das muss ich mir vorhalten lassen, sowohl von meinem Vater, als auch von meinem Ehemann. Stimmt ihr in den Kanon mit ein?"

 

"Ich habe kein Interesse an weiterem Nachwuchs. Mein Sohn wird meine Handelsbeziehungen und meinen Landbesitz erben, sollte er von Unglück und Krankheit verschont bleiben. Alle meine Ahnen hatten einen Sohn, was schon Glück genug ist ... Doch wir sind bei einem unromantischen Thema angekommen. Ich wollte eigentlich überprüfen, ob es möglich ist, euch zu beeindrucken."

 

"Euren Phallus habe ich ja bereits gesehen. Verzeiht, dass ich vergaß, Beifall zu klatschen."

 

"Nun, deswegen fragte ich nach außergewöhnlichen Werbemethoden. Es war mir wichtig, sicher zu gehen, nicht ins Leere zu laufen."

 

"Was habt ihr vor? Wollt ihr euch Flügel umbinden und zur Sonne hinauf fliegen?"

 

"Ach Celera, mir ist der Sinn nach stümperhaftester Bestechung, nach einem Verhalten, welches nur junge Spunde an den Tag legen. Lasst mir einfach mein Vergnügen, etwas völlig Nichtssagendes zu tun, auf dass ihr euch zumindest an meiner Torheit erfreuen könnt."

 

"Das wäre es mir wert. Wobei ich mich schon freue, dass ihr so gut gelaunt seid."

 

"Das bin ich, Celera."

 

Sie lächelte ihn an. Er konnte sich kaum davon losreißen. Sollte er sie jetzt einfach küssen? Nein.

 

Er ließ nach einem Sklaven schicken. Es dauerte ein paar Augenblicke.

 

"Was wollt ihr mir vorführen? Sartyre?"

 

"Mein liebes Ägypten befindet sich auf einem Kontinent voller animalischer Wunder. Wartet. Ich komme gleich wieder." sagte Lucius, als er bei der Palaestra den kräftigen Sklaven mit dem Lederriemen stehen sah.

 

Celera schüttelte nachsichtig den Kopf. Sieh sah zu der Voliere herüber und beobachtete die Vögel. Lucius kehrte nach einer kurzen Minute zurück und führte etwas an der Leine mit sich. Es war ein ausgewachsener africanischer Gepard.

 

Celera erschrak, blieb aber tapfer auf ihrer Kline liegen. Jetzt nicht das verängstigte Weibchen sein!

 

Lucius ließ den Gepard auf seine Kline springen, und die Raubkatze machte es sich gegenüber von Celera bequem.

 

"Das ist Pulcher. Er fügt den Menschen keinen Schaden zu. Ihr könnt ihn streicheln wie einen Hund."

 

"Lucius, ihr habt es geschafft. Ich bin beeindruckt. Und er beißt mich auch nicht?"

 

"Nein, traut euch nur. Diese Tiere sind ungeheuer selten geworden, weil wir zu viele in die Arenen geschickt haben. Vielleicht gehört er schon zu den letzten seiner Art."

 

Lucius beobachtete, wie Celera mutig ihre Hand durch das Fell von Pulchers Haupt strich. Der Gepard reckte sich ihrer Liebkosung entgegen und blinzelte mit den Augen. Er fühlte sich wohl.

 

"Eigentlich bin ich keine große Tierfreundin. Aber dieser Kerl hier ist eine Pracht. Wir täten gut daran, einigen dieser Kreaturen mit Zuneigung zu begegnen."

 

"So wie Pulcher eure Liebkosung genießt, so genieße ich schon allein das Gespräch mit euch. Seht ihn an, und ihr seht in mein Herz."

 

Ihre Augen bohrten sich in seine. Es war ein ernster Blick und ohne Zweideutigkeit.

 

"Cicurinus, wo wir gerade diesen schönen Jäger als Anstandsdame dabei haben, kann ich euch wohl gefahrlos gestehen, dass ich euch begehre, seit wir uns im Hause meines Mannes das erste Mal begegnet sind. Ich begehre euch mit Schoß und ganzem Leib. Es ist nicht euer Geld, nicht eure Ländereien. Ihr seid es. Und ich verzehre mich nach euch."

 

Der Klang ihrer Stimme drang in Lucius' Blutbahn. Glücksfunken entfachten ein Feuer in seiner Kinderseele.

 

"Lasst uns eine kleine Landpartie unternehmen, Celera. Ich zeige euch mein Land, weil ihr es nicht begehrt."

 

"Auf eurem Land werde ich schreien. Ich möchte schreien vor Wonne, Cicurinus."

 

Lucius wollte erwidern, dass er dafür sorgen wird, dass sie das tut, dass sie schreit und die Welt dafür verstummt.

 

​
 

 

Telum
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